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Dreijährige Kinder haben Betreuungsanspruch im Umfang von sechs Stunden täglich

Der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2021 in einem Eilverfahren entschieden, dass Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden haben (Az.: 10 ME 170/21).

Der fünfjährige Antragsteller begehrt vom Landkreis Göttingen den Nachweis eines zumutbaren und bedarfsgerechten Kindergartenplatzes mit einer Betreuungszeit von jeweils 6 Stunden von montags bis freitags. Der im Jahr 2019 zur Verfügung gestellte Platz war vom Kindertagesstätten-Verband zwischenzeitlich gekündigt worden.
Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte den Antrag auf Nachweis eines anderen Betreuungsplatzes abgelehnt. Zur Begründung hieß es, der Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes sei mit dem im Jahr 2019 nachgewiesenen Platz erfüllt worden (Az.: 2 B 192/21). Die Eltern müssten gegen die wegen des Verhaltens des Kindes ausgesprochene Kündigung des Betreuungsvertrags im zivilrechtlichen Kündigungsschutzverfahren vorgehen.

Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat den Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und den Landkreis Göttingen verpflichtet, dem Antragsteller einen wohnortnahen Platz in einer Kindertageseinrichtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zur Verfügung zu stellen.

Dies hat der Senat damit begründet, dass der im Jahr 2019 nachgewiesene Kindergartenplatz nicht mehr zur Verfügung stehe, nachdem dieser Platz in der Zwischenzeit durch ein anderes Kind belegt worden sei. Ein zivilrechtliches Kündigungsschutzverfahren könne daher nicht den gewünschten Erfolg haben.

Außerdem hat der Senat es als nachvollziehbar angesehen, dass die Eltern des Antragstellers im Hinblick auf das Wohl ihres Kindes gegen den Willen des Kindertagesstätten-Verbandes eine weitere Betreuung ihres Kindes in dessen Einrichtung nicht haben erzwingen wollen.

Werde ferner berücksichtigt, dass der Landkreis Göttingen als Antragsgegner von seinen Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber dem Kindertagesstätten-Verband selbst keinen Gebrauch gemacht habe. Den Eltern könne daher nicht entgegengehalten werden, dass sie gegen die als rechtswidrig erachtete Kündigung nicht vorgegangen seien.
Der Antragsgegner könne sich auch nicht darauf berufen, dass er vor dem Frühjahr 2022 keinen alternativen Kindergartenplatz anbieten könne. Denn der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stehe unter keinem Kapazitätsvorbehalt. Es handele sich insoweit um eine unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewährleistungspflicht, der der Jugendhilfeträger nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen könne.

Zum erforderlichen Umfang der Betreuung hat der Senat weiter ausgeführt, dass zwar dem Bundesrecht entnommen werden könne, dass kein Anspruch auf eine ganztägige Betreuung für Dreijährige bestehe, doch im Übrigen weder das Bundesrecht noch das Landesrecht diesbezüglich konkrete Vorgaben enthielten. Aus § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ergebe sich jedoch die Zielvorgabe, dass die Tageseinrichtungen den Eltern dabei helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Dieses Ziel könne mit einer lediglich 4-stündigen Betreuung nicht erreicht werden, da unter Berücksichtigung der Wegezeiten eine Betreuung in diesem Umfang bereits eine Halbtagstätigkeit zeitlich nicht ermögliche.

Unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung, in der der Senat die Frage, ob der Betreuungsanspruch für Dreijährige 4 oder 6 Stunden beträgt, bislang offengelassen hat (Senatsbeschluss vom 19.12.2018 – 10 ME 395/18 –), hat der Senat daher nunmehr entschieden, dass zur Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eine Betreuung an 5 Tagen in der Woche im Umfang von jeweils 6 Stunden angeboten werden muss.